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Stolperstein der Woche 53

 

Ausgestolpert?

Mit dem 3. Dezember 2005 lief die gemeinsam vom Beratungs-, Mobilitäts- und Kompetenzzentrum, dem Arbeitsbereich für Integrationspädagogik und dem Behindertenbeauftragten an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt durchgeführte Aktion „Stolpersteine auf dem Weg zur Gleichstellung“ aus.

Ein Jahr lang wurden wöchentlich Barrieren, Hindernisse, Diskriminierungen oder Ärgernisse für behinderte Menschen veröffentlicht. 52 Stolpersteine, die zeigen, warum ein effektives Gleichstellungsgesetz für Menschen mit Behinderungen so wichtig ist.

Am 1. Jänner 2006 wird es soweit sein, das Bundesbehindertengleichstellungsgesetz (BGStG) wird in Kraft treten. Dass es nicht mehr als ein Alibigesetz sein wird, ist trotz wiederholter Bezeugungen der Politik, vielen behinderten Menschen klar. Sie hätten sich weitaus mehr davon erwartet.

Neubauten und Neuanschaffungen müssen zwar gemäß Gleichstellungsgesetz sofort barrierefrei zugänglich sein, jedoch gibt es für bestehende Gebäude und öffentliche Verkehrsmittel Übergangsfristen von bis zu zehn Jahren. Obwohl mit geringfügigen Investitionskosten verbundene Adaptierungen (zwischen € 1000,-- und € 5000,--) sofort erfolgen müssen, sehen Etappenpläne des Bundes und der öffentlichen Verkehrsbetreiber Adaptierungen bis Ende 2015 vor. Was das de facto bedeutet, wurde kürzlich in einem Gespräch mit einem Beamten der Bundesimmobiliengesellschaft klar, als es um die barrierefreie Gestaltung der ehemaligen Viktringertorkaserne, dem Amtsgebäude des Landesschulrates in Kärnten, ging. Behinderten Menschen wird der Zugang zu dem innen weitestgehend barrierefreien Gebäude durch eine schwere, kaum zu öffnende Tür erschwert. Darauf hingewiesen, entgegnete der BIG-Beamte: „Kommen´s 2009 wieder, bis dahin haben wir Zeit.“

Endgültiger Barrierefreiheit steht zudem auch noch entgegen, dass Bauordnungen dem Kompetenzbereich der Bundesländer unterliegen. Ältere, behinderte Menschen werden sich also mit einem hindernisreichen Lebensabend abfinden müssen, Barrierefreiheit werden sie wohl nicht mehr erleben!

Wie man sieht, hat die Einstellung der Aktion „Stolpersteine auf dem Weg zur Gleichstellung“ nichts mit der Einführung des BGStG zu tun. Sie war von Beginn an für die Dauer eines Jahres, von einem „Internationalen Tag der Menschen mit Behinderungen“ zum nächsten vorgesehen. Das Thema wird uns weiterhin begleiten und wir werden auch fortan, wenngleich in etwas anderer Form, auf Missstände hinweisen.

Ein erster Schritt dazu wird die Publikation der „Stolpersteine auf dem Weg zur Gleichstellung“ in Buchform sein. Neben den „Stolpersteinen“ wird diese auch Beiträge zur Entstehungsgeschichte des BGStG sowie zur Entwicklung der Selbstbestimmt-Leben-Bewegung in Österreich und zum Thema Diskriminierung und Stigmatisierung behinderter Menschen beinhalten. Das Buch wird im Jänner 2006 als  Band 2 der Reihe „Beiträge zu Inklusion und Selbstbestimmung“ im Hermagoras-Verlag erscheinen.

Herzlich bedanken möchten wir uns bei allen, die unsere Aktion „Stolpersteine auf dem Weg zur Gleichstellung“ unterstützt haben. Sei es durch das Verfassen von „Stolpersteinen“, durch Rückmeldungen oder, wie im Falle von bizeps, durch die wöchentlichen Veröffentlichungen der Kurztexte zu den jeweiligen „Stolpersteinen“.

Danken möchten wir aber auch jenen Menschen, die unsere Kritik ernst genommen und darauf durch Beseitigung von Barrieren reagiert haben. So wurde als Reaktion auf unseren Stolperstein Nr. 39 „Hauptbahnhof Villach – (K)ein Hindernis für Rollstuhlfahrer“ durch die ÖBB prompt ein nicht entsprechendes Behinderten-WC adaptiert oder durch den Magistrat Klagenfurt eine in Stolperstein Nr. 29 „Sackgasse Frachtenbahnhof“ bemängelte Unterführung umgehend geändert. Umstände, die unqualifizierte Aussagen wie „Behinderte gehören ins Heim und nicht auf den Bahnhof“, wie von einer Passantin unlängst bei der Eröffnung des neu adaptierten  Klagenfurter Hauptbahnhofes geäußert, erträglicher machen.

Wie bereits gesagt, es ist nicht ausgestolpert und Menschen mit Behinderungen werden sich, Gleichstellungsgesetz hin oder her, weiterhin mit Bürden verschiedenster Art und Herkunft herumschlagen müssen. Trotz allem, das BGStG ist ein Schritt in die richtige Richtung und wird durch hoffentlich bald erfolgende Nach- und Verbesserungen vielleicht doch noch zu dem werden, was uns der Name verspricht.

Dass wir aufgrund unseres Engagements für Barrierefreiheit doch schon einiges erreicht haben, stimmt ja doch immerhin zuversichtlich. Seit der Durchführung unserer ersten Aktion „Klagenfurt in Barrikaden“ am 3.12.2002, bei der wir nach einer Stadtbefahrung 24 Forderungen in Form eines Adventkalenders an den Bürgermeister übergeben haben, hat es durchaus eine Weiterentwicklung gegeben. Ca. 15 % unserer Forderungen wurden bis heute erfüllt, besser als nichts. Als Ergebnis unserer Arbeit in der „Plattform Barrierefreie Landeshauptstadt Klagenfurt“ (www.plablakla.at) wurden und werden weiterhin systematisch Verbesserungen im Innenstadtbereich für Menschen mit Behinderungen erarbeitet und erreicht. Mit 3.12.2005 wurde ein Integrationsbeirat für Menschen mit Behinderung in der Stadt Klagenfurt begründet, der die Umsetzung von Barrierefreiheit und Gleichbehandlung vorantreiben soll.

Nach Ablauf des Jahres 2006 werden wir daher wieder Nachschau halten, wie viele Stolpersteine beiseite geschafft werden konnten. Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen! Wir werden uns daher für unsere Bürgerrechte weiter stark machen und für unsere gemeinsamen Interessen einsetzen.

 

Marion Sigot / Herbert Kaiser / Ernst Kočnik

4. Dezember 2005

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Stolpersteine auf dem Weg zur Gleichstellung ist eine Aktion von:

 

 

beratungs-, mobilitäts- und kompetenzzentrum, universitätsstr. 65, 9020 klagenfurt | ek